Foto: Biotopverbund in der Kulturlandschaft, LRT u.a. 6510, extensive Mähwiesen der planaren bis submontanen Stufe

Biotopverbund in der Kulturlandschaft, LRT u.a. 6510, extensive Mähwiesen der planaren bis submontanen Stufe

Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (2017)

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 240. Sitzung am 22. Juni 2017 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – Drucksache 18/12845 – den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes – Drucksache 18/11939 – mit einigen Maßgaben (BR-Drs. 514/17), im Übrigen unverändert angenommen.

Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.02.2017 (Drs. 168/17) hieß es unter „Problem und Ziel“:

„Der Gesetzentwurf enthält Anpassungen, die sich aus aktuellen Entwicklungen in der deutschen Naturschutzpolitik bzw. im deutschen Naturschutzrecht ergeben. Diese betreffen die Einrichtung des Biotopverbunds nach § 21 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) durch die Bundesländer, eine Ergänzung der Zielbestimmung der Naturparke nach § 27 BNatSchG, die Aufnahme von Höhlen und naturnahen Stollen in die Liste der geschützten Biotope nach § 30 BNatSchG, den Schutz von Hecken nach § 39 BNatSchG, eine Anpassung des § 44 Absatz 5 an Anforderungen der Rechtsprechung, eine Klarstellung der Zuständigkeiten für artenschutzrechtliche Ausnahmen nach § 45 Absatz 7 BNatSchG, die Einführung einer Vorschrift zur Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und im Bereich des Festlandsockels – § 56a BNatSchG neu – sowie eine Erweiterung der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zum Schutz von Meeresgebieten in der AWZ in § 57 BNatSchG.“

Bezüglich des Biotopverbundes  sollte § 21 Absatz 2 BNatSchG folgender Satz angefügt werden: „Der Biotopverbund wird bis zum 31. Dezember 2027 aufgebaut.“

Naturparke sollen nach dem in § 27 BNatSchG neu eingefügten Absatz 2 „auch der Bildung für nachhaltige Entwicklung dienen“.

Bezüglich der Hecken wurde im allgemeinen Artenschutz das Verbot des § 39 Absatz 5 Satz 1 Nr. 2, diese in der Zeit vom 1.März bis 30.September  abzuschneiden „oder auf den Stock zu setzen“ ergänzt durch die Wörter „oder zu beseitigen“. Es wird also etwas verboten, was bei vernünftiger Auslegung der Norm, die zuvor schon als jahreszeitliches Rodungsverbot  begriffen wurde[1], auch vorher schon verboten war. Man sah sich zur Ergänzung auf Grund eines Beschlusses des OLG Stuttgart in einer Bußgeldsache  (B. v. 11.Dezember 2014 Az.: 4 SWs 569/14) veranlasst.

In § 44 BNatSchG „Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten“ wird eine „Konkretisierung der artenschutzrechtlichen Verbote im Hinblick auf Eingriffe in Natur und Landschaft und Vorhaben im beplanten und unbeplanten Innenbereich getroffen.“ Es sind dies  umfangreichere textliche Änderungen der Regelung des § 44 Abs. 5 im Besonderen Artenschutz.  Der neu gefasste Satz 2 Nr. 1 schränkt nach der Begründung im Gesetzentwurf  „den Tatbestand des § 44 Absatz 1 Nummer 1 in Übereinstimmung mit der sich namentlich auf betriebs-, aber auch bau- und anlagenbezogene Risiken (z.B. bei Tierkollisionen  im Straßenverkehr oder mit Windkraftanlagen, Baufeldfreimachung) beziehenden Rechtsprechung (BVerwGE 134, 166, Rn. 42; BVerwG, Urt. v. 13.05.2009, 9 A 73/07, Rn. 86; BVerwG, Urt. v. 08.01.2014, 9 A 4/13, Rn. 99) dahingehend ein, dass der unvermeidbare Verlust einzelner Exemplare durch ein Vorhaben nicht automatisch und immer einen Verstoß gegen das Tötungsverbot darstellt. Vielmehr setzt ein Verstoß voraus, dass durch das Vorhaben das Tötungsrisiko für Individuen der betroffenen Art signifikant erhöht wird. Der Bedeutungsgehalt von „signifikant“ wird nach der Rechtsprechung in einigen Urteilen auch mit dem Begriff „deutlich“ gleichgesetzt.“  Diese Einschränkung  trage  dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, so die Gesetzesbegründung.

Nach der neu einzufügenden Nummer 2 liegt kein Verstoß gegen die in § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG verbotenen Handlungen des Nachstellens, des Fangens oder der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen vor, soweit sie im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme zum Schutz der Tiere bzw. ihrer Entwicklungsformen und zur Erhaltung der Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätte im räumlichen Zusammenhang entsprechend den fachlichen Standards und Sorgfaltspflichten durch qualifiziertes Personal erfolgen und die Beeinträchtigungen auch im Übrigen unvermeidbar sind. Anlass für die Einfügung dieser Vorschrift sei die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 14.07.2011, Az.: 9 A 12 / 10, Rn. 130), wonach dem europarechtlichen Verbot nach Art. 12 Absatz 1 FFH-Richtlinie, bestimmte geschützte Arten absichtlich zu fangen, auch solche Maßnahmen unterfallen, die im Rahmen einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme zur Umsetzung der Tiere unternommen werden. Die Bundesregierung teilte diese Auffassung des BVerwG nicht, wobei sie offenbar durch eine von ihr eingeholte, entsprechende Stellungnahme der Kommission unterstützt wurde. Die Sorgfaltsanforderungen an Umsiedlungsmaßnahmen seien ggf. durch behördliche Vorgaben und Empfehlungen zu konkretisieren.

Bei vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen des Artenschutzrechts nach § 44 Abs. 5 Satz 3 soll auch das Instrument des städtebaulichen Vertrags wie auch anderer Regelungsformen genutzt werden können; deshalb werde der in § 44 Absatz 5 Satz 3 missverständlich verwendete Begriff „festgesetzt“ vor diesem Hintergrund durch den allgemeineren und nicht bauplanungsrechtlich belegten Begriff „festgelegt“ ausgetauscht. Auch dieser Änderungsvorschlag  wurde mit weitergehenden  Anforderungen der Rechtsprechung begründet. So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 30.03.2010 – 8 N 09.1861, juris, Rn. 62 und 70) die Anwendbarkeit des § 1a Absatz 3 Satz 4 BauGB auf artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen verneint und dies mit dem Wortlaut des § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG begründet.

Mit § 56a „Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen“ werde die in § 16 bestehende Möglichkeit, Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zu bevorraten auf den Bereich der AWZ „ausgeweitet“. Es heißt dazu in der Begründung:

„Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) wurde mit Ausnahme der Landschaftsplanung das gesamte naturschutzrechtliche Instrumentarium und damit auch § 16 BNatSchG im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels für anwendbar erklärt (§ 56 Absatz 1). Offen bleiben bisher jedoch diejenigen Punkte, die sich für den terrestrischen Bereich und das Küstenmeer aus Landesrecht ergeben (§ 16 Absatz 2). Nicht geregelt sind u.a. die Zustimmungsbedürftigkeit und Handelbarkeit von vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen sowie der Übergang der Verantwortung nach § 15 Absatz 4 auf Dritte, die vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchführen. Es soll daher mit § 56a eine neue Vorschrift eingeführt werden, um diese Lücke in Anlehnung an bewährtes Landesrecht zu schließen und einen hinreichend konkreten gesetzlichen Rahmen für vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch in der AWZ zu schaffen. Es handelt sich nicht um eine Spezialregelung zu § 16, sondern um eine Präzisierung von Einzelheiten der Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen in der AWZ, die funktionell den Landesregelungen zu dem Bevorratungsverfahren in der jeweils dortigen Ausgestaltung entspricht und diesen nachgestaltet ist. Die durch die Bevorratung mögliche zeitliche Entkoppelung von Eingriff und Kompensation führt zu einer Flexibilisierung der Eingriffsregelung.“

Geschätzt wird, dass es jährlich 7 kompensationsbedürftige große Vorhaben in der AWZ geben wird, wobei dann die durch die Bevorratungsmöglichkeit realisierte Effizienzsteigerungen bereits im geringen einstelligen Prozentbereich zur Entlastung (der Wirtschaft) von jedenfalls über 100.000,- Euro führen könnten.   Hingewiesen wird auf das Beispiel  der Schaffung einer künstlichen Muschelbank von 1 km², die Kosten in Höhe von über 2 Millionen Euro erzeuge (Drs. 168/17, S. 9). Es würden in der vorgeschlagenen Regelung keine neuen Kompensationspflichten für Vorhabenträger begründet. Diese richteten sich unverändert nach § 15 in Verbindung mit § 56 Abs. 1 und 3. Auch stelle die mögliche Einforderung von Gutachten gemäß § 56a Abs. 1 S. 2 keine zusätzliche Informationspflicht der Wirtschaft dar, weil entsprechende Angaben gemäß § 17 Abs. 4 S. 2 auch im Rahmen der hergebrachten Arbeitsabläufe zu machen sind.

Bei der Erklärung zu Meeresschutzgebieten nach § 57 BNatSchG sollte die in der Tat etwas missverständliche Formulierung des Einleitungssatzes zu Abs. 3 wie folgt gefasst werden:

„Für die Erklärung der Meeresgebiete zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2, einschließlich ihrer Auswahl, sind die folgenden Maßgaben zu beachten:“ Dies stelle „eine Erweiterung der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zum Schutz von Meeresgebieten in der AWZ“ dar (S. 1).

Bereits  mit dem Gesetz zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie zur Änderung der Bundeswasserstraßengesetzes und des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) wurde jedoch ausdrücklich klargestellt, dass die Unterschutzstellung von Meeresgebieten auch der Umsetzung der Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19) dienen kann (§ 56 Absatz 2). Im Rahmen dieser Änderungen blieb § 57 Absatz 3 sowohl hinsichtlich des Einleitungssatzes wie auch des Vorbehaltskataloges jeweils inhaltlich unverändert. Dies gilt insbesondere auch für die in Nummer 4 und 5 enthaltenen Verweise auf § 34. Dies habe zur Folge, dass die dort genannten Nutzungen im Einzelfall nur im Hinblick auf durch die FFH- und Vogelschutzrichtlinie gebotenen Schutzzwecke beschränkt werden können. Dieses Ergebnis entspricht weder den Regelungszielen der genannten Gesetzesänderungen noch ist es mit der bestehenden Verpflichtung zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie vereinbar. Es sei daher „erforderlich, die im Einleitungssatz enthaltene Beschränkung auf Natura 2000-Gebiete entfallen zu lassen und die in Nummer 4 und 5 enthaltenen Verweise auf § 34 um weitere der Erfüllung bestehender völkerrechtlicher Verpflichtungen oder der Umsetzung der Richtlinie 2008/56/EG dienenden Schutzzwecke zu erweitern.“

Zum Ausgleich dieser „Erweiterung“  schlug die Bunderegierung dann weitgehende gesetzliche (!) Einvernehmenserfordernisse  fachfremder Ministerien und Behörden beim Erlass der überfälligen Schutzgebietsverordnungen vor . Diese exzeptionelle Regelung  wurde sehr lapidar (nämlich inhaltlich gar nicht)  so begründet: „Bei der Unterschutzstellung der Meeresschutzgebiete wird im Interesse der Einbindung aller betroffenen Ressortbelange ein entsprechendes Einvernehmenserfordernis eingeführt.“ Die Deutsche Umwelthilfe spricht in ihrem Newsletter 7/2017  von einem „fatalen Plan der Bundesregierung“.

Der Bundesrat sah in seiner Stellungnahme vom 31.3.2017 zu Recht „keine fachliche Notwendigkeit“ für die vorgeschlagene Einvernehmensregelung. Die Erklärung der Meeresgebiete zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i. S. des § 20 Absatz 2 BNatSchG orientiere sich an den naturschutzfachlichen und -rechtlichen Erfordernissen, die von der zuständigen Naturschutzbehörde zu vertreten seien. Bei der Entscheidung seien andere Belange in der Abwägung zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung der anderen betroffenen Ressortbelange sei über die schon jetzt im Gesetz geregelte Beteiligung sichergestellt. Die derzeitige Regelung gewährleiste die sachgerechte Abwägung durch die zuständige Naturschutzbehörde und erfordere kein Einvernehmen. „Im Sinne eines effektiven Meeresschutzes sollte das bisherige Verfahren beibehalten werden“. (Drs. 168/17 (Beschluss, S. 7). Die Bundesregierung griff den Streichungsvorschlag des Bundesrates in der Drs. 18/11939 nicht auf. Zur „Begründung“ heißt es: „Die zunehmende Inanspruchnahme der Flächen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone durch unterschiedliche Nutzungsarten erfordert ein enges Abstimmungsverfahren, in dem alle betroffenen Interessen ausgewogen berücksichtigt werden müssen.“(Drs. 18/11939 S. 33).

Inhaltlich setzte der Bundesrat  sich weiter für eine Dynamisierung  des Verweises auf die Düngeverordnung in Nummer 6 des § 5 Absatz 2 BNatSchG ein, damit stets die aktuell gültige DüngeV zur Geltung komme. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der parallel zu beratenden Verordnung zur Neuordnung der guten fachlichen Praxis beim Düngen (BR-Drucksache 148/17) von Bedeutung. Diese richtige Korrektur ist auf eine Empfehlung der Ausschüsse vom 21.03.2017 zurückzuführen (Drs. 168/1/17, S. 2f.)

Außerdem bittet der Bundesrat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren ein Verbot der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen und des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen in Naturschutzgebieten, Nationalparken und Natura 2000-Gebieten sowie in einem Streifen von 3 000 Metern Breite um solche Schutzgebiete in das Bundesnaturschutzgesetz aufzunehmen.  Ein nationales Verbot des Einsatzes von GVO innerhalb von Schutzgebieten sei europarechtlich zulässig. Zudem sei der Schutz ökologisch sensibler Gebiete vor Eintragungen durch GVO völkerrechtlich geboten. So sehen Artikel 8a, 8e und 8g der Biodiversitäts-Konvention den Schutz besonderer ökologischer Gebiete, insbesondere vor einer Verschlechterung durch GVO, vor. Die Bunderegierung hat diesen Vorschlag abgelehnt (Drs. 18/11939 S. 33).

Der Bundesrat unterstreicht die hohe Bedeutung eines länderübergreifenden Biotopverbunds für die Erreichung der europäischen und nationalen Zielsetzungen zum Schutz der biologischen Vielfalt. Er verweist auf die bisherigen Anstrengungen und Erfolge der Länder bei der Einrichtung des Biotopverbunds beispielsweise mit den Projekten Grünes Band, Wildkatzenwegeplan oder Grüner Wall im Westen. Er stellt fest, dass zur Einhaltung der ambitionierten Umsetzungsfrist für die Fertigstellung des länderübergreifenden Biotopverbunds bis 2027 gemeinsame und koordinierte Anstrengungen von Bund und Ländern notwendig sind.

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 12.4.2017 (Drs. 18/11939) enthält unverändert die Zeitvorgabe für den Aufbau des Biotopverbundes (31. Dezember 2027) und die Einvernehmensregelung  mit (nahezu) allen denkbaren fachfremden Bundesministerien.  Zur „Fristsetzung“ beim Biotopverbund wird ausgeführt: „Trotz intensiver Bemühungen einzelner Länder ist das in § 20 Absatz 1 BNatSchG genannte Ziel bundesweit noch nicht erreicht. Die größten Defizite bestehen dabei bei der rechtlichen Sicherung nach einem einheitlichen Konzept. Der bundesweite Biotopverbund kann aber seine Aufgabe nur erfüllen, wenn er auch wirksam und rechtsverbindlich gesichert ist. Daher ist es erforderlich, den Ländern hierfür eine Frist zu setzen, damit sie entsprechende Umsetzungsbemühungen auch tatsächlich unternehmen. Angesichts der Bedeutung der angestrebten Ziele ist zu deren Erreichung nun die Einführung einer Umsetzungsfrist bis 2027 erforderlich. Diese Regelung wird dem § 21 Absatz 2 als Satz 3 angefügt. Zusammenfassend erfolgt die Fristsetzung somit im Hinblick auf den bisher noch nicht ausreichenden Realisierungsstand des länderübergreifenden Biotopverbundes und die oben dargestellte naturschutzfachliche Bedeutung.“ Zur Bevorratung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen  in der AWZ heiß es: ° Die Bevorratung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels erfolgt in drei Schritten: Mit der Zustimmung des Bundesamts für Naturschutz zur Durchführung einer aufwertenden Kompensationsmaßnahme wird im ersten Schritt die Anerkennungsfähigkeit, d.h. die naturschutzfachliche und rechtliche Eignung dieser Maßnahme als Kompensationsmaßnahme für Eingriffe in der AWZ rechtsverbindlich bestätigt. Im Hinblick auf die Verortung der Kompensationsmaßnahme sind bereits hier die betroffenen Behörden zu beteiligen. Hierdurch erhalten die Vorhabenträger in einem frühen Stadium Planungssicherheit. Nach der zustimmungsgemäßen Durchführung der Maßnahme im zweiten Schritt, die je nach Art der Kompensation ggf. im Hinblick auf ihre sonstige Zulässigkeit eine zusätzliche Genehmigung anderer Behörden erfordern kann (z.B. BSH nach Hohe-See-Einbringungsgesetz oder Seeanlagenverordnung), erfolgt im dritten Schritt die verbindliche Feststellung und Gutschrift auf dem Ökokonto durch das Bundesamt für Naturschutz. Der Inhaber kann seinen darin dokumentierten Anerkennungsanspruch nach § 16 Abs. 1 danach entweder selbst zur Erfüllung eigener Kompensationspflichten in späteren Zulassungsverfahren geltend machen oder an Dritte  veräußern. Alternativ können Kompensationspflichten von anerkannten juristischen Personen mit befreiender Wirkung übernommen werden. Der durch die Handelbarkeit bevorrateter Maßnahmen und die Anerkennung juristischer Personen als professionelle Anbieter entstehende Markt für marine Kompensationsmaßnahmen führt zu Flexibilität, besserer wirtschaftlicher Kalkulierbarkeit und Professionalisierung bei der Erfüllung naturschutzrechtlicher Kompensationspflichten. Maßnahmen können künftig zunächst eingriffsunabhängig zur späteren Verwendung entwickelt und bevorratet werden. Die anlassbezogene Entwicklung von Maßnahmen im Genehmigungsverfahren bleibt wie bisher möglich.“ (Drs. 18/11939 S, 18 f.).

Beschlussempfehlung und Bericht  des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) vom 21.06.2017 (Drs. 18/12845) brachten dann noch einige Änderungen. Die Vorschläge erfolgten mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN.

Die Dynamisierung  der Dokumentationspflicht  über die Anwendung von Düngemitteln  nach § 5 Absatz 2 Nummer 6 BNatSchG wurde vom Ausschuss unterstützt, wobei im Übrigen die Anwendung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln  (weiterhin) nach Maßgabe des landwirtschaftlichen Fachrechtes zu erfolgen hat. Die Länder können beim „Rodungsverbot“ und dem Verbot nach § 39 Abs. 5 Nr. 3  den Verbotszeitraum aus klimatischen Gründen um bis zu zwei Wochen verschieben. Im Besonderen Artenschutzrecht wurde eine Fassung des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nummer 1 wie folgt vorgeschlagen: „1. [liegt] das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz1 Nummer1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs-und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann“.

Nummer 9 Buchstabe b) des Gesetzesvorschlages sollte aufgehoben werden (Drs. 18/12845 S. 2 unten), d.h. das Einvernehmenserfordernis  bei der Erklärung der Meeresschutzgebiete zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft  wegfallen, sodass es insoweit bei der alten Regelung des § 57 Abs. 2 BNatSchG verblieb.  Diese vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungen hat der Bundestag in seinem Gesetzesbeschluss vom 23.06.2017 (Drucksache 514/17) übernommen. Der Bundesrat hat gegen das Gesetz keinen Einspruch eingelegt.

Kommentar:

Die Regelungen zum Meeresnaturschutz sind im Ergebnis zu begrüßen, aber längst überfällig und auch nur halbherzig.  Der neu eingefügte § 56a, der umfassende Regelungen zur Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen aufgrund der Eingriffsregelung (§ 15 BNatSchG) in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee trifft, ist sehr detailliert. Die Einzelheiten hätten besser in eine Verordnung gepasst. Dazu hätte § 16 Abs. 2 BNatSchG mit einer entsprechenden Verordnungsermächtigung versehen werden können.  Die Bedeutung der neuen Vorschrift ist begrenzt: § 56a betrifft in der Realität nur vorgezogene Maßnahmen für andere Vorhaben als  die Installierung von Windenergie, die die Masse der Eingriffe in der AWZ ausmacht und nach wie vor von der Bereichsausnahme des § 56 Abs. 3 BNatSchG profitiert. Die Bereichsausnahme erstreckt sich auf die bereits genehmigten Anlagen und  künftig auch auf die Windkraftanlagen in der AWZ, die auf Grundlage eines Zuschlags nach § 34 des (neuen) Windenergie-auf-See-Gesetzes zugelassen werden.  Es ist also nicht sehr viel, was hier überhaupt zusammenkommt. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird  mit einer geschätzten Fallzahl von jährlich ca. sieben Verfahren zur Zustimmung zu und Feststellung von vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen sowie von einer geschätzten mittleren Fallzahl von jährlich sechs Anträgen zur Anerkennung von zur Übernahme von Kompensationspflichten berechtigten juristischen Personen gerechnet. Das Motiv für die Einführung war, wie in der Gesetzesbegründung  dargelegt, eine Erhöhung der Flexibilität und kostensenkende Effekte für die Windenergieindustrie.

Die Änderung des § 57 Abs. 3 BNatSchG  sollte angeblich  „erreichen“, dass sich die Ermächtigung des BMUB zur Ausweisung von Schutzgebieten auch auf solche Schutzzwecke beziehen kann, die nicht der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutzrichtlinie (VRL) dienen, sondern auch auf solche, die andere Ziele verfolgen. Hierzu zählen die Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) oder von Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen (z.B. nach OSPAR/HELCOM zu schützende Arten und Lebensräume). Zwar ist zuzugeben, dass die alte Gesetzesfassung etwas missverständlich formuliert war, aber nach Einfügung des § 56 Abs. 2 durch  Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes und der KrW-AbfG vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) konnte überhaupt nicht mehr zweifelhaft sein, dass eine derart einschränkende Auslegung der Vorschrift mit Beschränkung auf (europäische) Erhaltungsziele im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG nicht haltbar war, weil der Gesetzgeber sonst im § 56 Abs. 2 etwas geregelt hätte, was nach Abs. 3 von der Ermächtigung nicht erfasst gewesen wäre.

Die nachfolgende Stellungnahme der Präsidentin des BfN bei der öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses am 17.05.2017 Prof. Dr. Beate Jessel zeigt, wie weit die Verunsicherung um sich gegriffen hatte: „Die diesbezügliche Klarstellung und Ausweitung der Schutzziele schafft eine unerlässliche Grundvoraussetzung für die ordnungsgemäße Umsetzung der unions-  und völkerrechtlichen Verpflichtungen und ermöglicht einen Mindestschutz im marinen Bereich. Anders als im Küstenmeer und im terrestrischen Naturschutz (nach den allgemeinen Regeln der §§ 20 ff. BNatSchG) können rein nationale Schutzerwägungen hingegen nicht berücksichtigt werden. Die Verordnungsermächtigung wird somit auf eine 1:1-Umsetzung von Völker- und Unionsrecht beschränkt.“

Frau Jessel war hier schlecht beraten, denn es trifft nicht zu, dass der Küstenstaat (das ist Deutschland nach der Terminologie des internationalen  Seerechtsübereinkommens) nationale Schutzerwägungen in der AWZ nicht berücksichtigen dürfte. Das Gegenteil ist der Fall: nach Art. 56 Abs. 1 b) iii) SRÜ hat der Küstenstaat in der AWZ Hoheitsbefugnisse in Bezug auf den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt. Hierzu hat er Maßnahmen zu ergreifen (u.a.) zum Schutz und zur Bewahrung seltener oder empfindlicher Ökosysteme sowie des Lebensraums gefährdeter, bedrohter oder vom Aussterben bedrohter Arten und anderer Formen der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres (Art. 194 Abs. 5 SRÜ). Von einem „Mindestschutz“ ist nirgends die Rede. Was zu diesen seltenen und empfindlichen Ökosystemen und  Arten und anderen Lebensformen zählt, die zu schützen sind, kann in regionalen Abkommen bestimmt werden, aber genauso gut durch den Küstenstaat selbst, der ja auch die Verantwortung für den Erhalt der Biodiversität in „seiner“ AWZ hat. Biodiversität kann – anders als der Klimawandel – nicht durch globale Rahmenvorgaben  erhalten werden, sondern ist mit den jeweiligen Biodiversitätsebenen und Lebensräumen (und den dortigen Regelungsbefugnissen der Staaten) eng verknüpft. Nichts anderes besagen die Vorschriften der Biodiversitätskonvention (CBD), wonach die Schutzmaßnahmen zu entwickeln sind, die  für die jeweiligen Vertragsparteien  von Belang sind, für die sie zugleich Verantwortung tragen.[2] Also ein „Zurückrudern“ und Abrücken des BfN von Rechtspositionen, die in der Rechtswissenschaft klar sind und nicht aufgegeben werden dürfen. Die Wirtschaftslobby und andere Ressorts stoßen sofort in angebliche „Lücken“ des Naturschutzrechts. In diesen Zusammenhang  passt leider auch das  Wort von der „1:1 Umsetzung“, das erneut aufgegriffen wurde. Inzwischen müsste jeder wissen, dass in der ministeriellen Praxis mit einer 1:1 Umsetzung des Europäischen Naturschutzrechts  diejenige nationale Minimalumsetzung gemeint ist, bei der man hofft, ein Vertragsverletzungsverfahren vermeiden zu können (was ja bekanntlich häufig misslingt).   Im Ergebnis wird hier also als „Ausweitung der Schutzziele“ etwas verkauft, was bei verständiger Interpretation (z.B. von  Kieß im von Schlacke herausgegebenen Gemeinschaftskommentar zum BNatSchG zu § 56) längst aktueller Rechtsstatus war, der im Hinblick auf nationale Schutzzwecke jetzt sogar gefährdet wurde.

Dass das „Einvernehmenserfordernis“  jetzt doch nicht kommt (und somit § 56 Abs. 2 BNatSchG unverändert bleibt), obwohl sich die Bundesregierung dafür stark gemacht hatte, ist in erster Linie den Argumenten der Sachverständigen, etwa von Tobias Stoll in der Anhörung und dem Bundesrat zu verdanken.  In zweiter Linie haben die Verbände  dazu beigetragen, dass diese verfassungsrechtlich mehr als zweifelhafte Regelung nicht in das Gesetz kam. Es ist bestürzend, wie leichtfertig hier ein verfassungsrechtliches Prinzip, nämlich das Ressortprinzip des Art. 65 S. 2 GG, zur Disposition gestellt wurde, um den Lobbyinteressen der Wirtschaft und Fischerei noch weitergehende Zugriffe zu ermöglichen (und so Schutzgebietserklärungen faktisch zu blockieren). Die dazu gegebene „Begründung“ der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren ist demaskierend: „Die zunehmende Inanspruchnahme der Flächen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone durch unterschiedliche Nutzungsarten erfordert ein enges Abstimmungsverfahren“. Hierbei geht es – wohlgemerkt – ausschließlich um die gemeldeten und von der Kommission gelisteten Natura 2000 Flächen, deren „Nutzungsart“ der zwingende Schutz nach europäischem Naturschutzrecht ist, den es umzusetzen galt.  Bereits jetzt kann  bezweifelt werden, ob die Schutzgebiete in der deutschen AWZ nach ihrer Unterschutzstellung als Naturschutzgebiete mehr sein werden als bloße „paper parks“. Für letzteres spricht auch die Tatsache, dass für die Schutzgebiete immer noch keine Fischereiregulierungen vereinbart wurden. Die Ausrede, dafür sei allein die EU zuständig,  zieht nicht. Dänemark hat in der Zwischenzeit etliche Verbote der Grundfischerei in FFH-Schutzgebieten auf dem dafür vorgesehenen Weg (über die Fischereigrundverordnung) umgesetzt. Die EU hat die Vorschläge  anstandslos übernommen. In Deutschland funktioniert das trotz entsprechender Koalitionsvereinbarung  aus 2013 nicht, weil sich schon die Ressorts und dazugehörige Behörden nicht einig sind. Dann kann man den anderen betroffenen Mitgliedstaaten auch keine  Vorschläge für Fischereibeschränkungen machen. Im Übrigen sitzt man die anhängigen Vertragsverletzungs- und Gerichtsverfahren aus. Deutschland ist weiter denn je davon entfernt, im Meeresnaturschutz Flagge zu zeigen.

10. August 2017 Prof. Dr. Detlef Czybulka

[1] Kratsch, in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG Kommentar 2. Aufl. 2011, § 39 Rdn. 28

[2] Vgl. zu Ebenen der Biodiversität und Verantwortlichkeit der Staaten  D. Czybulka , in N. Wolff/W. Köck (Hrsg.), 10 Jahre Übereinkommen über die biologische Vielfalt (2004), S. 152, 155 f.

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